Bei der Zukunftswerkstatt Kultur und Klimaschutz

Die Bedeutung von Kultur findet bisher noch wenig Raum in der Klimaschutzdebatte. Dabei sind diese beiden Themenkomplexe auf vielfältige Weisen miteinander verbunden. Für eine klimagerechte Zukunft braucht es einen Kulturwandel, der von den großen Kulturinstitutionen über die Medienlandschaft bis hin zu unserer Alltagskultur reicht. Gleichzeitig können Kulturschaffende selbst mit ihrer Kunst Veränderungen anstoßen, Emotionen adressieren und Visionen einer klimagerechten Zukunft ausdrücken.

Um einen interdisziplinären Austausch zur Umgestaltung unserer Kultur zu starten, hat die Klima-Allianz Deutschland insgesamt vier Zukunftswerkstätte organisiert, die in Bremerhaven, Berlin, Bonn und Karlsruhe stattfinden. In Berlin war ich dabei, als Vertreterin des Klimaschutzbüros der EKvW und als Kulturinteressierte, die sich die Fragen nach dem großen Kulturwandel stellt, dem persönlichen und dem gesellschaftlichen. Und könnte Kirche hier vielleicht einen wichtigen Beitrag leisten?

Als ich am ersten Tag, die Räumlichkeiten des LIFE Bildung Umwelt Chancengleichheit e.V. betrete erwarten mich viele herzliche Gesichter. Vor einem bunt zusammen gewürfelten Haufen von Gegenständen erfahre ich, dass ich mir hier mein eigenes „Monster“ basteln darf mit aufgeklebten Papier-Glubschaugen. Ich entscheide mich für einen großen Holzhammer, der verlegen zur Seite blickt. Später in der Vorstellungsrunde stellen wir nicht nur uns selbst vor, sondern auch unsere Monster. Ich erfahre außerdem, dass wir eine vielfältige Gruppe sind, manche kommen wie ich aus der Klimaschutzarbeit, andere sind Teil der Kunst- und Kulturszene und wieder andere irgendetwas dazwischen. In das Thema führt Martina Bergk ein, Geschäftsführerin des LIFE Bildung Umwelt Chancengleichheit e.V. Für dieses Wochenende sind sie und der Yeşil Çember ökologisch interkulturell gGmbH gastgebende Mitgliedsorganisationen. Gemeinsam mit Akteuren des TRIMUM e.V. haben sie ein vielfältiges Programm aus inhaltlichem Input, offenem Diskurs und spannenden Aktivitäten für die beiden Tage zusammengestellt.

Was kann Kultur zu einer klimagerechten Transformation beitragen, was Wirtschaft, Politik und Wissenschaft nicht können? Welche konkreten Umsetzungsideen und Best Practices gibt es bereits? Wie sehen die Geschichten der Zukunft aus? Diese und viele weitere Fragen haben wir mal im Plenum, mal in Kleingruppen, mal am Mittagstisch an den zwei Werkstatttagen diskutiert. Dabei wurde der Kulturbegriff ebenso wie Lösungsansätze immer wieder von verschiedenen Seiten beleuchtet und neu gedeutet.
Ganz konkret erlebbar wurde die Verbindung von Klimaschutz und Kultur beim Besuch des Klimazirkus am Tempelhofer Feld, einem Mitmachangebot für Kinder und Jugendliche, welches Klimaschutzthemen mit Elementen der Zirkus- und Theaterpädagogik kombiniert. Hier bekamen wir eine Führung über das Gelände, durften die Fahrräder in allen vorstellbaren Größen ausprobieren und sollten uns im Zirkuszelt gemeinsam die Zukunft in 30 Jahren ausmalen.

Neben Gestaltungsideen für die Zukunft war für mich eindrücklich, dass die Bedeutung der Begleitung von Emotionen wie Trauer, die mit den anstehenden tiefgreifenden Veränderungen verbunden sind, immer wieder in den anschließenden Diskussionsrunden auftauchte.

Am zweiten Workshoptag versammelten wir uns in der Bibliothek am Luisenbad, dort stand das Thema Interkulturalität und Klimaschutz im Mittelpunkt. Hierzu teilte Gülcan Nitsch, geschäftsführende Gesellschafterin von Yeşil Çember ökologisch interkulturell gGmbH, in ihrem Vortrag ihr Wissen und jahrelange Erfahrung im Bereich der interkulturellen Umweltarbeit. Persönlicher Kontakt, niedrigschwellige Angebote und Zusammenarbeit auf Augenhöhe waren die Punkte, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind. Nach ihrem Vortrag bekamen wir die Chance das Thema Interkulturalität hautnah bei einem Kiezspaziergang durch den Wedding zu erleben. Mit einer Karte und kleinen Aufgaben ausgerüstet traten wir unseren Weg in Dreiergruppen an. Vorbei an arabischen Bäckereien und türkischen Supermärkten in der Badstraße führte uns unsere Route zum Humboldthainpark, dessen Flaktürmen einen beeindruckenden Ausblick über den Stadtteil bot. Von dort passierten wir dem Gemeinschaftsgarten „die Wilde 17“ und den Salam Kultur und Sport Verein bis wir schließlich zum Sitz von Yeşil Çember in der Schwedenstraße, wo uns schon ein leckeres Buffet aus verschiedenen frisch zubereiteten türkischen Speisen erwartete.

Gestärkt und mit vielen neuen Eindrücken ging es zum Ende nochmal zurück zur Bibliothek am Luisenbad. Dort kam erneut die Frage nach der Trauer auf und wie man Raum für sie schafft, ohne die Handlungskraft zu verlieren. An dieser Stelle könnte man auch auf alte Rituale und Traditionen zurückgreifen, die sich in den Religionen wiederfinden. Jom Kippur im Judentum oder der christliche Karfreitag sind Tage, an denen Raum geschaffen wird für Trauer, Ruhe und Einkehr. Begleitet zu sanften Klavierklängen nutzen wir diesen Moment für eine Schweigeminute, um Platz für die Emotionen zu schaffen.

Zum Schluss widmeten wir uns noch den Fragen nach einer inklusiveren, diverseren Klimabewegung sowie möglichen Forderungen zu Kultur und Klimaschutz an die Politik. Bis oben hin gefüllt mit Denkanstößen und Ideen, verabschiedete ich mich an diesem Nachmittag von der Gruppe und zwei spannenden Tagen, die in mir wohl noch eine Weile nachklingen werden. Neben Gebäudesanierungen und Klimafasten ist vielleicht gerade die Begleitung der Gefühlsebene, einen Raum zu schaffen, in dem Innegehalten werden kann, eine Rolle, die Kirche bei dem Wandel in eine klimagerechte Zukunft einnehmen kann.

Das Diskussionspapier Kultur und Klimaschutz der Klima-Allianz Deutschland finden Sie »hier.