Bielefeld (epd). Der Krieg in der Ukraine und die Klimakrise haben den ersten Arbeitstag der westfälischen Landessynode geprägt. Präses Annette Kurschus warnte am Montag in Bielefeld in ihrem traditionellen Berichten an das Kirchenparlament vor allzu einfachen Antworten in der Frage von Krieg und Frieden. Widersprüche und Ausweglosigkeiten dürften nicht „weggeredet“ werden. Die Präsidentin des Hilfswerks „Brot für die Welt“, Dagmar Pruin, befürchtet Hungerkrisen durch den Ukraine-Krieg. Um den Hunger weltweit zu verringern, müsse auch der Klimawandel bekämpft werden, sagte sie vor dem Parlament der Evangelischen Kirche von Westfalen.
Kurschus betonte, das Finden einer christlich verantworteten Haltung bedeute auch in Krisen- und Kriegszeiten, Skepsis, Zweifel und Meinungsänderungen zuzulassen. Ein simples Ja oder Nein dürfe „die komplizierte Wirklichkeit nicht eindampfen und beschneiden“, sagte die leitende Theologin der viertgrößten deutschen Landeskirche, die auch Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.
Als Beispiel verwies sie auf das biblische Gebot der Feindesliebe: Der „verbrecherische Angriff auf die Ukraine“ sei unzweifelhaft der russischen Seite zuzuschreiben. „Trotzdem sind wir untröstlich über alle Verletzten, über jeden Toten, über jede verwitwete Mutter, über jedes verwaiste Kind auf beiden Seiten.“ Nach dem Ende des Krieges werde zivile Friedensarbeit wichtig, darin seien die Kirchen „besonders stark“.
Mit Blick auf das Schwerpunktthema der bis Mittwoch tagenden Landessynode, den Klimaschutz, hob die 59-jährige Theologin den Aspekt einer „internationalen Klimagerechtigkeit“ hervor. Klima- und Sicherheitspolitik, die ihren Namen verdiene, werde nie zulasten, sondern stets „zugunsten der Armen in aller Welt und auch zugunsten der Armen in unserem Land geschehen können und müssen“. Das Kirchenparlament berät darüber, wie die viertgrößte deutsche Landeskirche mit knapp 2,1 Millionen Mitgliedern bis 2040 klimaneutral werden kann.
„Brot für die Welt“ rechnet durch den Ukraine-Krieg mit weiteren 50 Millionen Menschen weltweit, die Hunger leiden. Aktuell seien rund 800 Millionen Menschen von Hungersnöten betroffen, sagte Präsidentin Pruin. Der Klimawandel zerstöre alles, was in den letzten Jahren an Armuts- und Hungerbekämpfung erreicht worden sei. Verschärft werde auch der Konflikt um Wasser.
Kurschus äußerte sich auch zum Thema Sterbehilfe. Der Suizid dürfe niemals eine rechtlich, ethisch und gesellschaftlich gleichwertige alternative Option zum Leben sein, sagte sie. Dennoch sollten niemandem Beistand und Seelsorge verwehrt bleiben: „Wer in Situationen größten Leids und anhaltender Ausweglosigkeit sein Leben beenden will; wer sich – nach Prüfung des Gewissens vor Gott – dazu entschließt, einem anderen bei dessen Suizid beizustehen, soll nicht die Verurteilung der Kirche oder der Glaubenden fürchten müssen.“
Die Evangelische Kirche von Westfalen ist die viertgrößte der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Die Landessynode ist das oberste Organ. Neben dem Hauptthema Klimaschutz befasst sich das Kirchenparlament auch mit ehrenamtlicher Arbeit, mehr Beteiligung junger Leute in Leitungsgremien, Schutz vor sexualisierter Gewalt sowie weiteren Vorlagen, Berichten und Kirchengesetzen. Finanzfragen werden überwiegend auf einer zweitägigen Herbstsynode im November behandelt.
epd-West igl spi