Kirchen im Südwesten fordern Klima-Pass für Klimaflüchtlinge

STUTTGART ‐ Ob auf Inseln oder schmelzenden Gletschern: Durch den Klimawandel verlieren viele ihre Lebensgrundlage. Forschende und eine ökumenische Initiative fordern für die Betroffenen nun legale Migrationsmöglichkeiten.

Wer vor den katastrophalen Folgen des Klimawandels flieht, soll nach Ansicht der Kirchen in Baden-Württemberg in weniger betroffenen, reichen Staaten Zuflucht finden. Es brauche neue legale Wege für Klimaflüchtende, forderten die Bischöfin und die Bischöfe im Südwesten in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung. Betroffene aus dem globalen Süden sollten demnach einen „Klimapass“ erhalten, der ihnen Staatsbürgerrechte in den Aufnahmestaaten garantiere.

„Ein Klimapass gäbe den Menschen die Chance, nicht fliehen zu müssen, wenn es zu spät ist, sondern in Würde ein neues Leben zu planen und zu beginnen, in ihrem Heimatland oder auch in einem anderen Aufnahmeland“, sagte der katholische Rottenburger Bischof Gebhard Fürst.

Der katholische Freiburger Erzbischof Stephan Burger erklärte, weil die reichen Industriestaaten maßgeblich den menschengemachten Klimawandel verursacht hätten, stünden sie bei den Hilfen für die Betroffenen nun in besonderer Verantwortung. „Deswegen müssen rechtliche Grundlagen geschaffen werden, die den Opfern der Klimakrise die Niederlassung in sicheren Ländern ermöglichen. 

Landesbischof: Klimavertriebenen Wege eröffnen

Nach Ansicht der evangelischen badischen Landesbischöfin Heike Springhart sollten die Lasten und Folgen der Klimaveränderungen fair verteilt werden. Aus ihren weltweiten ökumenischen Partnerkirchen höre sie, welche Konsequenzen der Klimawandel in humanitärer und ökologischer Hinsicht nach sich ziehe. „Der Klimawandel bedroht das Leben der Menschen in unterschiedlichem Ausmaß. Als Kirchen ist unsere Aufmerksamkeit auf die Menschen gerichtet, deren Leben durch den Klimawandel in besonderer Weise bedroht ist. Die Botschaft Jesu nährt einen Überschuss an Hoffnung. Sie nährt auch unsere Entschiedenheit, uns dafür einzusetzen, dass die Lasten und Folgen des von Menschen verursachten Klimawandels gerecht verteilt werden“, stellte sie fest.

Für den evangelischen württembergischen Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl müssen Christen in der Klimakrise an der Seite der Opfer stehen. „Dies bedeutet hier, Klimavertriebenen Wege in ein sicheres Leben zu eröffnen“, so Gohl. Den Betroffenen könne durch rechtzeitige Präventivmaßnahmen oder durch Unterstützung bei der Binnen- und grenzüberschreitenden Migration effektiv geholfen werden, sagte er.

Entsprechende Fortschritte und Garantien erhoffen sich die Kirchen von der 28. Weltklimakonferenz, die in einer Woche in Dubai beginnt. Dort will erstmals auch Papst Franziskus sprechen.

Sachverständige: Dreiklang aus Klima-Pass, Klima-Card und Klima-Arbeitsvisum

In seinem jüngsten Jahresgutachten hatte bereits der Sachverständigenrat für Integration und Migration die auch vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) vertretene Klima-Pass-Idee aufgegriffen und um weitere Elemente erweitert. Die Sachversändigen empfehlen, für den Fall der dauerhaften Unbewohnbarkeit eines Landes, den Bewohnerinnen und Bewohnern einen sogenannten Klima-Pass auszustellen. Muss ein Land jedoch wegen starker Zerstörung lediglich vorübergehend verlassen werden, könnte eine Klima-Card für einen temporären und befristeten Aufenthalt in anderen Ländern ausreichen. Für den Fall großer, absehbarer Schäden, beispielsweise wenn schleichende Umweltveränderungen die Lebensbedingungen im Land erheblich verschlechterten, sprechen sich die Experten für ein Klima-Arbeitsvisum aus, das den Aufenthalt auf der Basis von Arbeitsverträgen auch ohne qualifikatorische Voraussetzung ermöglicht.

Als Vorbild für die Umsetzung sieht der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung ähnlich wie Expertinnen und Experten der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik den sogenannten Nansen-Pass für Staatenlose. Dieser wurde nach dem Ersten Weltkrieg als Notreisedokument für staatenlose Flüchtende vor allem aus Russland, Armenien, der Türkei und dem Saarland ausgegeben. Auch wenn der Nansen-Pass nicht universell anerkannt wurde, ermöglichte er doch vielen Menschen die Reise, die Arbeitsaufnahme und den Zugang zu Behörden.

In anderen Ländern gibt es bereits konkretere Ansätze zur Problematik. So schloss kürzlich Tuvalu ein Abkommen mit Australien, das es jährlich 280 Bürgerinnen und Bürgern des bedrohten Inselstaates ermöglicht, auf das australische Festland zu übersiedeln.

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