Ein Kommentar zum Koalitionsvertrag von Sven Rudolph
Viel ist geschimpft worden auf die Ampel-Regierung, auf die Streitereien, auf das unrühmliche Ende und in der Klimapolitik vor allem auf das „Heizungsgesetz“ und die verpasste Chance, ein Klimageld umzusetzen. Wie der Expertenrat für Klimafragen aber jüngst in seinem Zweijahresgutachten gezeigt und Expertenratsmitglied Dr. Brigitte Knopf Anfang März auf der IKG-Tagung zur Neuorientierung der Klimapolitik bekräftigt hat, ist die klimapolitische Bilanz der Ampel besser als ihr Ruf, auch wenn die Zielerreichung weiterhin unsicher bleibt.
Kann aber die neue Regierungskoalition daran anknüpfen und den Klimaschutz vielleicht sogar noch besser auf Zielkurs bringen? Immerhin überschreibt sie ihren Koalitionsvertrag mit „Verantwortung für Deutschland“. Das bedeutet auch Verantwortung für den Klimaschutz und den Schutz zukünftiger Generationen vor den schon heute und bei uns immer deutlicher werdenden verheerenden Folgen des menschgemachten Klimawandels. Der Koalitionsvertrag macht da mehr Sorgen als Hoffnung. Generell fällt auf: Während der Text beim Abbau von Umwelt- und Klimaschutzstandards recht konkret wird, bleibt er bei Verbesserungen vage. Positiv können jedoch hervorgehoben werden
- die Reform der Schuldenbremse,
- das Bekenntnis zum EU-Emissionshandel und einem sozialen Ausgleichmechanismus für hohe CO2-Preise,
- die Fortsetzung der sozial gestaffelten Förderung für Heizung und Sanierung,
- die Sicherung des Deutschlandtickets, der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität und das Bekenntnis zum Ausbau der Bahninfrastruktur und des öffentlichen Nahverkehrs.
Doch auch bei diesen Pluspunkten gibt es dringenden Nachbesserungsbedarf, gerade aus Gerechtigkeitsperspektive. Denn weder ist ein Jugend- und Sozialtarif beim Deutschlandticket vorgesehen noch gezielte E-Auto-Förderungen für Menschen mit geringerem Einkommen. Nicht zuletzt soll die Kompensation für den CO2-Preis über eine Entlastung beim Strompreis erfolgen, was sozial- und klimapolitisch fragwürdig ist, wie zuletzt das Forum Sozial-Ökologische Marktwirtschaft zeigte. Besser wäre hier ein allgemeines Klimageld.
Mit besonderer Sorge muss man zudem auf folgende Passagen im neuen Koalitionsvertrag blicken:
- die mögliche Aufweichung der nationalen und europäischen Klimaschutzziele durch die Anrechenbarkeit von Negativ-Emissionen (Stichwort: CO2-Abscheidung und Lagerung) und Emissionsminderung im außereuropäischen Ausland (Stichwort: Voluntary Carbon Market unter Artikel 6 des Paris Abkommens,
- Kürzungen beim Klima- und Transformationsfonds, dem zentralen Fonds für Förderprogramme im Klimaschutz,
- die Erhöhung der Pendlerpauschale und die Ausweitung der Subventionierung des Luftverkehrs, die nicht nur klimaschädlich sind, sondern den Staat Milliarden zusätzlich kosten und zudem wohlhabendere Haushalte stärker begünstigen als ärmere,
- die Abschaffung des “Heizungsgesetzes”, die nicht nur die Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor gefährdet, sondern auch erneut große Verunsicherung im Handwerk, bei Unternehmen und Verbraucher*innen schafft.
Es wird also weiterhin – und vielleicht sogar mehr denn je – Aufgabe der Zivilgesellschaft und damit auch der Kirchen sein, immer wieder einzufordern, dass die klimapolitischen Maßnahmen der neuen Bundesregierung verbessert werden, Klimaziele ohne Verwässerungen eingehalten und Maßnahmen nicht nur ökologisch wirksam und kosteneffizient, sondern eben auch sozial gerecht sind. Vier verlorene Jahre bei der sozial-ökologischen Transformation können wir uns nicht leisten. Das IKG wird sich deshalb auch in der neuen Legislatur mit seinen Partner*innen wie der Klima-Allianz Deutschland und Eine Erde – Das ökumenische Netzwerk (der neu gegründete Zusammenschluss von Ökumenisches Netzwerk Klimagerechtigkeit und Ökumenischer Prozess Umkehr zum Leben) engagiert für einen nachhaltigen Klimaschutz einsetzen und damit seiner christlichen Verantwortung für das Wohlergehen der Gesellschaft nachkommen.
Wer dabei mitgestalten möchte, möge sich bereits den 15. Juli 2025 ab ca. 18.00 Uhr vormerken. Hier wollen wir gemeinsam mit Vertreter*innen aus Kirche, Politik und der Zivilgesellschaft über das kirchliche Engagement in der Klimapolitik unter der neuen Bundesregierung diskutieren. Weitere Information gibt es demnächst auf der Veranstaltungsseite des IKG.